Sichere Förderung nötig

Der Stopp des KfW-Programms 134 hat verheerende Auswirkungen für den genossenschaftlichen Wohnungsbau. Das machte Christian Stupka von der GIMA bei einem Pressegespräch Ende November in München deutlich. In der GIMA (Genossenschaftliche Immobilienagentur München eG) haben sich 31 Genossenschaften und 5 Wohnungsunternehmen zusammengeschlossen, auch wagnis ist Mitglied.

Wer eine Genossenschaftswohnung beziehen wollte und dafür eine Einlage aufbringen musste, der konnte bisher im Rahmen des KfW-Programms 134 für die Zeichnung von Genossenschaftsanteilen ein Darlehen bis zu 100.000 Euro aufnehmen, ein Tilgungszuschuss von 7,5 Prozent und günstige Zinskonditionen (ca. 2 Prozent) sorgten für ein attraktives Angebot. Aufgrund der Haushaltssperre der Bundesregierung, eine Folge des Urteils des Bundesverfassungsgerichts, können jedoch seit einer Woche keine Anträge mehr bei der KfW-Bank gestellt werden.

"Wir sind entsetzt darüber, was passiert ist"

Die Förderung wurde 2022 eingeführt, um den genossenschaftlichen Wohnungsbau ähnlich wie die Eigenheimförderung zu unterstützen und für Eigenkapital in den Genossenschaften zu sorgen, erläuterte GIMA-Vorstand Thomas Schimmel bei der Pressekonferenz. Vor allem in Ballungsräumen wie München und Hamburg sei das Programm sehr gut angenommen worden, hier spiele das Wohnungseigentumsprogramm nur eine geringe Rolle. Die Bundesregierung habe Verlässlichkeit versprochen, „wir sind entsetzt darüber, was jetzt passiert ist“. Der Antragstopp betreffe vor allem junge Genossenschaften. Die Eigentumsförderung sei hingegen nicht angetastet worden. Damit werde die Mittelschicht in den Ballungsräumen völlig außer Acht gelassen.

GIMA-Vorständin Ariane Groß wies noch auf ein weiteres Problem hin, das wie ein Damoklesschwert über den Genossenschaften schwebe.  Das Finanzierungsmodell der Genossenschaften beruhe auf drei Säulen, nämlich Eigenkapital, Förderdarlehen und normale Finanzierung, die aus den beiden Komponenten marktübliche Finanzierung über eine Bank und Finanzierung über die KfW-Bank bestehe. Für die Finanzierung über die KfW-Bank wurde das Kreditprogramm 298 mit sehr günstigen Zinskonditionen angeboten. Nun habe der Verband der Wohnungswirtschaft davor gewarnt, dass noch nicht klar sei, ob dieser Kredit im nächsten Jahr noch zur Verfügung stehe. Das berge für die Genossenschaften ein sehr großes Risiko, denn die komplette Finanzierung der Projekte zu marktüblichen Konditionen sei nicht möglich. Derzeit würden sich einige Genossenschaften bemühen, den Kredit noch in diesem Jahr zu beantragen. Dafür sei jedoch eine QNG-Zertifizierung, ein Qualitätssiegel für nachhaltige Gebäude, nötig. Dabei lauere ein weiterer Fallstrick: die Fernwärme wird im Moment als nicht nachhaltig genug eingestuft, die Genossenschaften werden jedoch von den Stadtwerken gezwungen, die Fernwärme abzunehmen, und dürfen auf keine anderen Energiequellen zurückgreifen.

Akutes Liquiditätsthema

Im Rahmen des Pressegesprächs berichteten mehrere Vertreter*innen von Münchner Genossenschaften von den schwerwiegenden Konsequenzen des Förderstopps. Lena Krahl von der Progeno, Julius Klaffke von „Das große kleine Haus eG“ und Markus Zimmermann von Stadtimpuls beleuchteten die massiven Auswirkungen auf ihre Projekte, die derzeit noch in der Planungsphase sind. „Wir müssen die Projekte erst entwickeln und haben ein akutes Liquiditätsthema, wir arbeiten ohne Rücklagen“, sagte Julius Klaffke. „Wir müssen mit dem eigenen Kapital von den Mitgliedern beginnen, sonst kriegen wir die anderen Bausteine nicht dazu.“ Die junge Genossenschaft „Das große kleine Haus“ hat den Zuschlag für ein Grundstück im Kreativquartier erhalten und entwickelt ein Projekt mit einer Mischung von 60 Prozent Wohnen und 40 Prozent Gewerbe. Auch Lena Krahl und Markus Zimmermann, deren Genossenschaften Projekte in Neufreimann errichten, betonten, dass eine sichere Förderungs- und Kreditlandschaft notwendig sei.  

Zwar gehört wagnis mittlerweile nicht mehr zu den ganz jungen, sondern eher zu den "mittelalten" Genossenschaften in München und muss damit keine existenzbedrohenden Auswirkungen durch die Streichung des Förderprogramms befürchten, trotzdem trifft die Einstellung des 134 einzelne Mitglieder-Haushalte hart. wagnis-Vorständin Rut-Maria Gollan nannte Beispiele von Familien, deren Einzug in das neue Projekt wagnisWEST kurz bevorsteht und deren Finanzierungsmodell nun weggebrochen sei. So schilderte wagnis-Mitglied Yordanka Peteva ihre Situation: Die vierköpfige Familie bekam im September eine Eigenbedarfskündigung und machte sich sofort auf Wohnungssuche. Im Rahmen ihrer Recherche stieß sie auf das Genossenschaftsmodell und bewarb sich bei wagnis um eine 4-Zimmer-Wohnung in der Förderstufe München-Modell in wagnisWEST. Im November kam die Wohnungszusage, und die Familie erkundigte sich bei der Bank wegen eines KfW-Kredits. Zunächst gab die Bank grünes Licht, und Yordanka Peteva freute sich schon auf den Einzug im Februar. Vor einer Woche erfuhr sie vom plötzlichen Aus des KfW-Programms. Jetzt sucht sie Alternativen: Doch ein normaler Bankkredit ist nur für 8 Prozent Zinsen zu haben mit einer Laufzeit von zehn Jahren. „Das können wir uns nicht noch zuzüglich zur Miete leisten“, rechnet Yordanka Peteva vor. "Es ist einfach total bitter, wenn über Nacht Programme gestrichen werden", betonte Rut-Maria Gollan. "Die betroffenen Familien können die nötigen Anteile nicht sofort anderweitig stemmen."

Genossenschaften sind die große Chance für sicheres Wohnen

Gerade in München stellt genossenschaftliches Wohnen eine bezahlbare Alternative zum unerschwinglichen Eigentum dar. „Hier können sich Leute Eigentum nicht leisten“, unterstrich Christian Stupka. Für eine 4-Zimmer-Wohnung mit 90 Quadratmetern müsse man mit einem Kaufpreis von 900.000 Euro rechnen, die Bank verlange 25 Prozent Eigenkapital. Deshalb seien Genossenschaften die große Chance für sicheres Wohnen. Die Landeshauptstadt stelle dafür günstige Grundstücke zur Verfügung, und mit dem KfW-Programm sei eine Finanzierung der Projekte möglich gewesen.  

Derzeit seien mehrere Bauvorhaben in München und Augsburg mit insgesamt 500 Wohnungen von dem Förderstopp betroffen, listete Ariane Groß auf. Die Genossenschaften hätten dafür schon erhebliche Planungskosten aufbringen müssen. Aktuell steht die Ausschreibung von weiteren Grundstücken mit 525 Wohnungen in Freiham bevor, Mitte nächsten Jahres sollen weitere Baufelder in Neufreimann ausgeschrieben werden. Ob sich dafür Bewerber finden werden, bezweifelt Ariane Groß derzeit. „Keine Genossenschaft kann sich bewerben, weil das Eigenkapital fehlt.“

Über die Veranstaltung berichten Süddeutsche Zeitung und Abendzeitung:

https://www.sueddeutsche.de/muenchen/muenchen-wohnungsmarkt-mieten-genossenschaft-kredit-haushaltssperre-kfw-bank-1.6312167

https://www.abendzeitung-muenchen.de/muenchen/brisante-entscheidung-in-berlin-jetzt-steht-muenchens-wohnungsmarkt-vor-neuen-problemen-art-943923

Auch der VdW Bayern kritisiert in einer Pressemitteilung den Förderstopp:

https://www.vdwbayern.de/2023/11/28/kfw-foerderstopp-bedroht-genossenschaftliche-wohnprojekte/

 

Hinweis: Am 13. Dezember findet um 19 Uhr in der Black Box im Gasteig eine Veranstaltung statt, bei der die Münchner Genossenschaften auf die Konsequenzen des Förderstopps aufmerksam machen wollen. Eingeladen sind alle Genoss*innen, „damit wollen wir unseren Mitgliedern Gesicht und Gehör verschaffen“, so Rut-Maria Gollan.  

Foto: Beim GIMA-Pressegespräch: Christian Stupka, Ariane Groß und Thomas Schimmel (von rechts)

Zurück

Mut
Pioniergeist
Verantwortung
Gemeinschaft
Innovation