Saatgut für mehr
Sie sind in völlig unterschiedlichen Branchen tätig, aber in einem sind sie sich einig: vom genossenschaftlichen Modell sind alle vier begeistert. Das wurde bei der Veranstaltung zum Münchner Klimaherbst, zu dem die Sparda-Bank München eingeladen hatte, deutlich. Zum Thema „Demokratie in Aktion – Genossenschaften als Antwort auf Klimakrise, Machtungleichheit und soziale Spaltung?“ diskutierten wagnis-Vorständin Elisabeth Braun, die Vorständin der FoodHub eG, Kristin Mansmann, die Vorständin vom Bellevue di Monaco, Barbara Bergau, und Peter Berger, Vorstandsvorsitzender der Sparda-Bank München eG, die Moderation übernahm Thorsten Bühner.
Alle Akteur*innen sehen im genossenschaftlichen Ansatz eine ganze Menge Möglichkeiten, um gesamtgesellschaftliche Probleme anzugehen. „Wir sind Saatgut für mehr“, betonte Elisabeth Braun. Die wagnis eG baue nicht nur Häuser, sondern schaffe lebendige Nachbarschaften und bereichere dadurch Neubau-Quartiere.
„Wir ermöglichen Leuten Gestalter der Gesellschaft zu sein“, hob Kristin Mansmann hervor. „Wir zeigen auch, dass eine andere Form des Wirtschaftens möglich ist.“ Sie machte den Unterschied zwischen Genossenschaften und Aktiengesellschaften deutlich. Die Genossenschaft sei demokratisch strukturiert; egal wie viele Anteile man habe, so habe man doch nur eine Stimme. Dagegen könne bei AGs ein Investor mit großen Aktienpaketen viele Stimmen auf sich vereinen. Außerdem sei der Vorstand einer AG per Aktienrecht dazu verpflichtet, maximalen Gewinn zu erzielen. Bei der Genossenschaft gebe es diesen Zwang nicht.
Eine Genossenschaft kann auch Privatdarlehen von Mitgliedern annehmen. Wie gut das funktionieren kann, beschrieb Mansmann am Beispiel des neuen Mitmach-Supermarktes in Wien: Dort konnte die neue Genossenschaft MILA fast eine Million Euro Eigenkapital von ihren Mitgliedern einsammeln und sich dadurch ein gutes Stück weit unabhängig von Bankdarlehen machen.
Den Mitmach-Supermarkt FoodHub gibt es seit vier Jahren in Giesing, derzeit wird ein zweiter Standort in Schwabing gesucht. Die rund 2600 Mitglieder verpflichten sich, alle vier Wochen für drei Stunden mitzuarbeiten, egal ob an der Kasse, beim Auffüllen der Regale oder in der Buchhaltung.
Die Sozialgenossenschaft Bellevue di Monaco entstand vor zehn Jahren, mittlerweile hat sie über 800 Mitglieder. Drei leerstehende Häuser im Zentrum der Stadt wurden vorm Abriss gerettet; dort ist Wohnraum für Geflüchtete entstanden, außerdem ein Café als Ort der Begegnung, darüber hinaus gibt es ein breites Beratungsangebot. Barbara Bergau unterstrich den sozialen Mehrwert für die Stadtgesellschaft, den Genossenschaften mit sich bringen. Das Modell funktioniere nicht nur in der Stadt, sondern auch auf dem Land, zum Beispiel um verlassene Dorfgasthäuser wieder zu beleben. In diesem Zusammenhang bot Bergau auch Beratungsarbeit für interessierte Initiativen an, um den Aufbau von weiteren Genossenschaften zu unterstützen.
Die Sparda-Bank München wurde 1930 von Eisenbahnern gegründet, um finanzielle Unterstützung untereinander zu ermöglichen. Mittlerweile hat sie sich für alle Berufsgruppen geöffnet. Peter Berger wies darauf hin, dass die Sparda-Bank München das Thema Gemeinwohl in der Satzung verankert habe. Deshalb bezeichnet sie sich stolz als erste Gemeinwohlbank in Deutschland, der es nicht nur um Profitmaximierung geht, sondern die auch ökologische und soziale Projekte in der Region fördert.
Auch mit den Herausforderungen des Klimawandels setzen sich Genossenschaften auseinander. Ob ökologisches und ressourcenschonendes Bauen bei der wagnis, die Förderung der kleinräumig strukturierten Landwirtschaft beim FoodHub, Umbau statt Abriss beim Bellevue di Monaco oder die Berücksichtigung des Nachhaltigkeitsaspektes in jedem Geschäftsfeld bei der Sparda-Bank: die Ansätze sind hier vielfältig.
Wichtig ist dabei auch eine langfristige Unterstützung durch die Politik, das machte Elisabeth Braun deutlich. „Wir planen langfristig und brauchen hier eine große Verlässlichkeit, die über das Denken in Wahlperioden hinausgehen muss.“
Genossenschaften funktionieren nicht nur als Nischenmodell, sondern sind auch in der Lage Machtstrukturen zu ändern. Kristin Mansmann berichtete von einem Beispiel in Südkorea hin, wo eine der größten Genossenschaften für Bio-Produkte weltweit entstanden sei. Wie verbreitet das genossenschaftliche Modell ist, belegte Peter Berger durch Zahlen. In Bayern gibt es rund 1200 Genossenschaften, und jede*r fünfte Bayer*in ist Mitglied in einer Genossenschaft.
Foto oben: wagnis-Vorständin Elisabeth Braun stellte sich in einer Vertiefungsrunde den Fragen der Gäste.
Foto unten: Auf dem Podium: Elisabeth Braun (wagnis), Kristin Mansmann (FoodHub), Barbara Bergau (Bellevue di Monaco) und Peter Berger (Sparda-Bank München) diskutierten unter der Leitung von Thorsten Bühner (von links).